Stadtnachricht
Drei Säulen gegen die Altersarmut
Walter Riester und Hermann-Josef Tenhagen diskutierten in Mannheim mit Experten der Rentenversicherung
20.11.2015
Erfolgsmodell gesetzliche Rente seit 125 Jahren
Von den vielerlei in den vergangenen 125 Jahren gemeisterten Herausforderungen der gesetzlichen Rentenversicherung sprach Walter Sailer, Bauunternehmer und ehrenamtliches Mitglied der Vertreterversammlung der DRV Baden-Württemberg: Inflationen, zwei Weltkriege, Flucht, Vertreibung, deutsche Einheit, all das habe die selbstverwaltete Rentenversicherung bravourös geschultert. Kein System habe sich besser bewährt als die gesetzliche Rentenversicherung mit ihren paritätisch besetzten Kontrollorganen von Arbeitgebern und Versicherten in der Selbstverwaltung, ergänzte Andreas Schwarz. Mit den aufgrund der steigenden Lebenserwartung verlängerten Lebensarbeitszeiten habe die Politik ein richtiges Zeichen gesetzt und der gesetzlichen Rentenversicherung gute Perspektiven aufgezeigt.
Die gesetzliche Rentenversicherung auf der Basis des Generationenvertrags sei den Herausforderungen der Zukunft gewachsen. Wer gut bezahlte Arbeit habe und seinen Beitrag zur Rentenversicherung leiste, werde auch künftig im Alter eine auskömmliche Versorgung haben. Es gelte aber der Grundsatz, dass jemandem, der nur wenig ins System einbezahle, auch nur wenig Rente zustehe, erklärte Schwarz. Von der ursprünglichen Idee, dass alleine die staatliche Rente vor Altersarmut schütze, verabschiede sich das System zunehmend.
Rentenniveau für Niedrigverdiener erhöhen?
Die Rentenversicherung stehe vor dem Dilemma, dass bei sinkendem Rentenniveau immer höhere Beiträge erforderlich seien, um mehr als die Grundsicherungsleistungen zu erwerben, erklärte Andreas Schwarz. Immer mehr Menschen fragten sich daher, wofür sie ein Leben lang Beiträge gezahlt hätten, wenn es bei der Rente nicht oder kaum mehr als die Grundsicherung gibt. »Um dem entgegenzuwirken könnten die Renten von Niedrigverdienern erhöht werden«, schlug Schwarz vor. Auch eine von Versicherungszeiten abhängige Mindestrente könne Altersarmut vorbeugen, so Schwarz.
»Anspruch an den Lebensstandard ist gestiegen«
Da die Höhe der Rente in starkem Maße von der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung abhängt und immer mehr Menschen in Teilzeit oder geringfügiger Beschäftigung arbeiten, werde die Rente für viele Menschen mittel- oder langfristig gering ausfallen, prognostizierte der ehemalige Bundesarbeitsminister Walter Riester bei der Veranstaltung in Mannheim. Erfreulich sei, dass sich seit Einführung der umlagefinanzierten Rente die Dauer der Lebenserwartung der Rentnerinnen und Rentner und damit die Rentenbezugsdauer fast verdoppelt habe. »Gestiegen ist aber auch der Anspruch an den Lebensstandard. Leider ist die Rücklagenbildung für das Alter dieser erfreulichen Tendenz nicht gefolgt.
Deshalb sind ergänzende Rücklagen für die Sicherung des Lebensstandards für viele Menschen zwingend«, erklärte Riester.
»Schlechte Riester-Verträge aus dem Verkehr ziehen«
Um den Lebensstandard im Alter zu erhalten, sei eine über die gesetzliche Rente hinausgehende Altersvorsorge nötig, bekräftigte auch Hermann-Josef Tenhagen, Chefredakteur von Finanztip. Damit die zusätzliche Altersvorsorge wirken könne, müsse die gesetzliche Rente sicher vor Armut schützen, also das Niveau der Grundsicherung erreichen, betonte der Finanzexperte. Zudem sei der Staat in der Pflicht, die Bürger zu schützen. Bei der Riester-Rente gehe es darum, die Sparer zu fördern und nicht die Finanzdienstleister über Wasser zu halten. »Besonders schlechte Verträge sollte der Staat aus dem Verkehr ziehen«, forderte Tenhagen. Zudem, so sein Vorschlag, sollten Vorstände von Anbietern mit besonders hohen Abbruchquoten von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) abberufen werden.
Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg