Limesturm

Die Wachttürme

Zeichnung Limes Wachturm Nach mehr als 1800 Jahren sind heute bestenfalls die Fundamentreste erhalten. Viele Türme sind völlig verschwunden, weil ihr Baumaterial zu anderen Zwecken verwendet wurde. Dennoch weiß man aus archäologischen Befunden und Abbildungen auf Steinreliefs, etwa der Trajanssäule in Rom, wie die Türme aussahen: dreistöckig und etwa acht bis zehn Meter hoch bei einem Grundriss von ungefähr vier mal vier Metern. Mit einer Leiter erreichte man den Eingang zur Stube im ersten Stock. Zog die Besatzung sie hoch, war sie geschützt vor Angreifern. Das fensterlose Erdgeschoss diente vermutlich nur als Vorratskammer und war durch eine Leiter im Innern erreichbar. Im zweiten Stock lag die Wachstube, teils mit einem hölzernem Umlauf, teils auch ohne. Von hier aus wurde die Umgebung überwacht und die Kommunikation mit den Nachbarposten oder zu einem rückwärtig gelegenen Kastell mit Fackeln oder Signalhörnern aufrecht erhalten. Immer in Sichtweite, 400 bis 800 voneinander entfernt, bildeten die Wachttürme eine durchgängige Postenkette. Ein Angriff wurde sofort ins nächste Kastell gemeldet, von wo die Truppen ausrückten und den Gegner stellten.

Alle nachfolgend beschriebenen Wachttürme liegen direkt am Limes-Wanderweg im Abschnitt zwischen Siegelsberg und Köchersberg. Sie sind teilrekonstruiert und wurden archäologisch untersucht. Anhand von Funden, die dort und anderswo am Limes geborgen wurden, können wir uns heute ein recht genaues Bild machen vom Leben an den Außenposten des Imperiums.

Die Römerschanz bei Siegelsberg (WP 9/91) (>> Lageplan im WANDERWALTER)

Nördlich von Siegelsberg liegt dieser Wachtturm, ein ganz gewöhnlicher Wachposten, der vermutlich mit acht Mann, einer „contubernia“ besetzt war. Dies war die kleinste militärische Einheit, die gerade eben ein Zelt, eine Kasernenstube oder eben einen Wachtturm füllte. Die Soldaten wurden für mehrere Tage aus ihrem Kastell abgeordnet und mussten auf sehr beengtem Raum miteinander auskommen, wobei sie sich bei Wache, Streifengängen und Ruhezeiten abwechselten. Ihre Mahlzeiten bereiteten sie sich selbst zu aus den Vorräten die sie für ihren Einsatz zugeteilt bekommen hatten. Hauptsächlich bestand die Ration aus Getreide. Funde von Jagdwaffen an vielen Limestürmen legen nahe, dass die Soldaten während des Grenzdienstes ihren Speiseplan mit Wildbret aufbesserten.
Das Fundament dieses Postens wurde bis zu einer Höhe von vier Metern mit Originalsteinen rekonstruiert.

Heidenbühl (WP 9/96) (>> Lageplan im WANDERWALTER)

Schon Ende des 19. Jahrhunderts wurden die Überreste dieses Wachtturms von der Reichs-Limeskommission untersucht. Aber erst 1961-64 stellte sich bei einer erneuten Grabung unter der Leitung von Dr. Rolf Schweizer heraus, dass nur einen halben Meter neben dem Fundament des offensichtlich abgebrannten Turms ein weiteres Fundament lag. Offenbar hatte man direkt neben der Brandruine einen neuen Turm erbaut und dafür Steine des alten Turmes verwendet. Ob seinerzeit Gefahr drohte? Große Eile scheint bei diesem Neubau geherrscht zu haben, denn das Fundament ist weit weniger sorgfältig zusammengefügt als beim ersten Turm. Die Grundmauern des ersten Turms hat die Mannschaft wohl später als geschützte Feuerstelle genutzt - und dabei einen Bratspieß zurückgelassen, der hier die Jahrhunderte überdauerte.
Für die Rekonstruktion des Turms bis auf eine Höhe von sechs Metern hat man das Fundament des ersten, abgebrannten Turms zugrunde gelegt und ebenso aus den originalen Mauersteinen errichtet. Das Fundament des zweiten Turms wurde konserviert.

Linderst-Ebene (WP 9/98) (>>Lageplan im WANDERWALTER)

Besonders viele Fundstücke kamen am Wachtturm auf der Linderst-Ebene zutage. Darunter Münzen, Tonscherben, eine bronzene Gewandnadel mit einem Widderkopf, ein Grillgestell mit Ösen samt Drehspieß, der darin eingehängt wurde und – ein besonderes Zeugnis römischen Luxuslebens – ein Schuhlöffel. Die vielen Funde und der geringe Abstand von nur 100 Metern zum vorigen und 90 Metern zum nächsten Posten könnte darauf hinweisen, dass hier ein Grenzdurchgang aus dem freien Germanien zum Kastelldorf Vicus Murrensis führte. Dieser Posten diente möglicherweise als Grenz- und Zollstation. Die extrastarke Bauweise der Mauern stützt diese These. Archäologisch ist ein Handelsweg an dieser Stelle freilich nicht nachgewiesen. Falls hier ein kleiner Grenzverkehr stattfand, so wurden Warenzölle eingezogen und die Passanten kontrolliert. Eine der wichtigsten Grenzbestimmungen sicherte den Frieden: wer hereinwollte, durfte keine Waffen tragen. Genauso wurde wohl auch die Ausfuhr von Waffen ins freie Germanien streng überwacht.

Teufelsmauer (WP 9/99) (>>Lageplan im WANDERWALTER)

Oben am Südhang des Linderst kann man die Überreste eines ungewöhnlich großen, auf Fels fundierten Turms sehen. Der Grundriss von sechseinhalb Metern im Quadrat lässt auf eine Höhe von rund 12 Metern schließen. Von hier aus ließ sich das ganze Murrtal und der Kastellplatz einsehen. Dieser Posten war vermutlich auch mit einer größeren Wachmannschaft besetzt.
Die Lage des Wachtturms veranschaulicht, welche ingenieurtechnische Glanzleistung die römischen Feldvermesser vollbrachten. Ohne Rücksicht auf die schwierige Topografie bauten sie die Limestrasse in einer schnurgeraden Linie über 80 Kilometer zwischen Welzheim und Walldürn. Eine Abweichung von maximal +/- 12 Metern wurde auf dieser Strecke festgestellt, in dem 50 Kilometer langen Abschnitt, in dem auch die Murrhardter Wachttürme liegen, sogar nur +/- 3 Meter. Mit Feuer- oder Rauchsignalen konnte man hochgelegene Haupt-Messpunkte wie den Posten auf dem Heidenbuckel bei Grab kenntlich machen und Zwischenpunkte einweisen. Als Vermessungsinstrument kam die Groma zum Einsatz. Mit diesem Peilgerät lassen sich gerade Fluchten sehr genau bestimmen.

Wachtturm Köchersberg (WP 9/104) (>>Lageplan im WANDERWALTER)

Ebenso wie bei den anderen Wachposten wurden hier Reste von Messern, Wetzsteinen und Geschirrscherben sichergestellt. Von ihrem Sold mussten die einfachen Soldaten die Gebrauchsgegenstände selbst kaufen, die sie etwa zur Zubereitung von Mahlzeiten brauchten. Auf dem Marsch wurde dieses persönliche Gepäck in eine Tasche gepackt und an einer Tragegabel aus Holz geschultert. Auch die Kleidung gehörte zu den Dingen, die nicht vom Zeughaus des Kastells zur Verfügung gestellt wurde. Die germanisch-stämmigen Soldaten verzichteten deshalb auch nicht auf ihre langen Hosen, während die Legionäre als römische Bürger nur in wirklich kalten Wintern auf dieses „unwürdige“ Kleidungsstück zurückgriffen.